Wie Sie wahrscheinlich schon wissen, wird Ihre Hündin je nach Rasse irgendwann zwischen 6 und 12 Monaten zum ersten Mal läufig, also geschlechtsreif. Dieser Zustand der Empfängnisbereitschaft wiederholt sich ab diesem Zeitpunkt in der Regel zwei Mal pro Jahr. Die Läufigkeit (Brunst) geht mit einer ein paar Tage andauernden Blutung einher, vergleichbar mit der monatlichen Periode der Frau, aber meist etwas länger andauernd (ca. 10 Tage). Diese Blutung kann individuell mehr oder weniger stark ausfallen, von kaum bemerkbar bis sehr heftig mit entsprechenden Sauberkeitsproblemen im Wohnbereich.
Zu dieser Zeit wird Ihre Hündin für Rüden extrem anziehend. Diese werden aber anfangs von der Hündin noch abgewiesen. Meist erst in der zweiten Woche der Läufigkeit und oft erst nach Abklingen der Blutung (Vorsicht!) wird die Hündin die Annäherung eines Rüden und die Begattung dulden, ja sie sogar aktiv durch eventuelles Entlaufen suchen. In der Zeit der Läufigkeit können Sie unter Umständen und je nach Temperament Ihres Tieres auch eine gewisse Gereiztheit gegenüber anderen Hündinnen feststellen. Die Begegnung zweier gleichzeitig läufiger Hündinnen kann in einen ernstzunehmenden Beschädigungskampf mit nicht unbeträchtlichen Verletzungen münden.
Nach der Läufigkeit tritt bei einem gewissen Prozentsatz der Tiere und mit steigendem Lebensalter oft zunehmend eine sogenannte Scheinträchtigkeit auf. Diese kann sich durch verändertes Verhalten (auch Aggressionen gegenüber Familienmitgliedern!), das Bemuttern von leblosen Gegenständen (Stofftiere, Spielzeug, Schuhe) und Milchbildung im Gesäuge bemerkbar machen und ist ab einem gewissen Ausprägungsgrad behandlungsbedürftig.
In der Folge werden wir Ihnen Ihre Optionen bezüglich dieser Problematik darstellen. Nach dem Durchlesen werden Sie sicher und ganz richtig anmerken, dass es eine Ideallösung nicht gibt. Sie sind deshalb leider gezwungen, sich nach sorgfältiger Erwägung für eine Vorgehensweise zu entscheiden und dann auch die Verantwortung für daraus eventuell erwachsende Nachteile zu übernehmen.
Option 1:
Sie lassen das Ganze einfach laufen, das heisst Ihre Hündin wird zwei Mal im Jahr läufig.
Vorteile: Kein wie auch immer gearteter Eingriff in den Organismus, weder medikamentös noch chirurgisch, keine Kosten.
Nachteile: Die Zeit der Läufigkeit verlangt Ihnen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ab, um eine unerwünschte Fehlbedeckung Ihrer Hündin zu verhindern. Die Verhinderung von Nachwuchs nach einer Fehlbedeckung ist zwar möglich, aber nicht billig und mit gewissen gesundheitlichen Risiken behaftet. Die Blutung kann, wie oben schon angemerkt, zu Hygiene- und Sauberkeitsproblemen im Wohnbereich führen. Weiterhin sind Hündinnen durch die hormonellen Einflüsse der Keimdrüsen statistisch gesehen anfälliger gegenüber bestimmten Krankheiten wie Mammatumore (Brustkrebs), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Pyometra (operationspflichtige Gebärmuttervereiterung).
Eventuell gesteigerte Aggressivität gegenüber anderen Hündinnen kann nicht ausgeschlossen werden. Oben geschilderte Probleme mit Scheinträchtigkeiten sind hufig zu erwarten.
Option 2:
Unterdrückung der Läufigkeit mittels regelmäßiger Hormon-Injektionen
Vorteile: Keine Probleme mit Läufigkeit (Fehlbedeckung, Blutung) oder Scheinträchtigkeit, kein operativer Eingriff.
Nachteile: Es gibt deutliche Hinweise dahingehend, dass durch die Injektionen das Risiko für Diabetes, Mammatumore und Pyometra deutlich (!) zunimmt. Das unerlässliche genaue Einhalten der Injektionsintervalle stellt manche Besitzer vor Probleme. Regelmäßige Kosten der Injektionen.
Option 3:
Kastration (Entfernung der Eierstöcke und der Gebärmutter)
Vorteile: Keine Probleme mit Läufigkeit und Scheinträchtigkeit. Vollständige bis teilweise Vermeidung der oben genannten Erkrankungsrisiken (Mammatumore, Diabetes, Pyometra) und damit nachgewiesenermaßen Verlängerung der Lebenserwartung um 5 - 10 Prozent. Keine hormonell bedingten Verhaltensschwankungen. Dauerhafte und endgültige Lösung. Hypothetische Vermeidung sehr hoher Behandlungskosten in der Zukunft.
Nachteile: Operationskosten und -risiko. Je schwerer die Hündin, desto größer ist das Risiko des Auftretens einer dauerhaft behandlungspflichtigen Harninkontinenz (Harnträufeln). Von 5 Prozent Wahrscheinlichkeit bei Zwergrassen bis zu über 20 Prozent bei Riesenrassen gehen die Angaben in der Literatur. Fellfarben und -qualitätsabhängig besteht ein Risiko für Fellveränderungen im Sinne eines feinwolligen, lockigen Haarwuchses ("Babyfell"). Dieses Risiko ist um so größer, je feiner und länger das rassetypische Fell ist und je mehr Rotanteile es aufweist (höchstes Risiko: Irish Setter, roter Cocker, roter Langhaardackel). Rau-, kurz- und stockhaarige Rassen sind von diesem Phänomen eher nicht betroffen. Von vereinzelten Fällen einer hormonell bedingten Flankenglatze wird ebenfalls berichtet. Ein kastriertes Tier hat einen verminderten Kalorienumsatz und gleichzeitig vermehrten Appetit, was bei mangelhafter Fütterungsdisziplin zu deutlichen Problemen mit der Gewichtskontrolle und daraus resultierender Fettleibigkeit führen kann.
Vor- oder Nachteil? Keine Einigkeit besteht in der Fachwelt dahingehend, ob die Kastration und evtl. der Zeitpunkt der Durchführung (Stichwort "Frühkastration", siehe unten) zu Entwicklungsstörungen eines korrekten Verhaltens führen kann. In der Diskussion stehen ein verändertes Angst- und Fluchtverhalten sowie vermehrte Trennungsängste. Frühkastrierten Hündinnen wird eine gewisse "Infantilisierung" (Verkindlichung oder Kindlichbleiben) nachgesagt, die sich in Bezug auf den Besitzer in verstärkter Anhänglichkeit äussern kann. Die kastrierte Hündin wirkt nach eigenen Beobachtungen oft bis ins höhere Alter weniger ernsthaft und verspielter. Ob Sie als Besitzer dies als Vor- oder Nachteil empfinden, muss Ihre Entscheidung bleiben.
Die Frühkastration
Unter diesem Begriff wird die Kastration vor der Geschlechtsreife verstanden.
Vorteile: Es kommt nicht zur ersten Läufigkeit, dadurch auch nicht zur Anbildung des Milchdrüsengewebes, was die Entstehung von Gesäugetumoren effektiv verhindert. Die Operation ist in diesem Alter technisch am einfachsten und mit geringster Schnittlänge durchzuführen, die Rekonvaleszenz der Hündin meist entsprechend schnell und reibungslos. Die oben als Risiko angesprochene Harninkontinenz tritt wahrscheinlich seltener auf.
Nachteile: Die Entwicklung eines korrekten Sozialverhaltens könnte nach Meinung einiger Autoren stärker durch eine frühe als durch eine spätere Kastration gestört sein. Harninkontinenz tritt zwar wahrscheinlich seltener auf, ist aber eventuell schwerer therapierbar. Die Entstehung einer chronischen und schwer behandelbaren Scheidenvorhofsentzündung scheint durch die Frühkastration begünstigt zu werden.
Ich hoffe, Ihnen mit hiermit eine neutrale und über möglichst alle Vor- und Nachteile der Ihnen zur Verfügung stehenden Optionen aufklärende Entscheidungshilfe an die Hand gegeben zu haben und stehen Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung.